Der plötzliche Aufstieg von Wirecard

Für Start-ups und kleine Unternehmen ist es meist schwer mit alteingesessenen Unternehmen zu konkurrieren. Große Unternehmen haben sich bereits einen Namen gemacht und Verbraucher vertrauen lieber Anbietern, die schon seit Jahrzehnten bestehen und sich einen guten Ruf erarbeitet haben. Erst in Krisenzeiten öffnen sich für die kleinen Firmen Türen, die sie nutzen können, um die großen Unternehmen zu überholen.

Wirecard

Die Wirecard AG wurde 1999 in Aschheim bei München gegründet, wo sie bis heute ihren Sitz hat. Das Unternehmen agierte bis 2005 unter dem Namen „InfoGenie“ AG. Wirecard ist ein weltweit tätiges Technologie- und Finanzdienstleistungsunternehmen. Über Tochtergesellschaften kann das Unternehmen weltweit handeln. Wirecard bietet seinen Kunden Lösungen für den elektronischen Zahlungsverkehr, Risikomanagement sowie die Herausgabe und Akzeptanz von Kreditkarten. Die Tochtergesellschaft Wirecard Bank AG verfügt sogar über eine deutsche Banklizenz und hält zudem eine Lizenz von VISA und Mastercard. Darüber hinaus gibt es Verträge zwischen Wirecard und vielen internationalen Unternehmen, wie American Express und Apple Pay. Seit 2005 ist das Unternehmen börsennotiert und 2006 wurde es in den TecDax aufgenommen. Obwohl Wirecard vom eigenen Chef nicht einmal Bank oder Finanzinstitut genannt wird, steht es doch in direkter Konkurrenz mit Banken und Finanzinstituten.

Wirecard mehr Wert als Deutsche Bank und Commerzbank

Den Aufstieg von Wirecard an der Börse konnte niemand so richtig voraussehen, doch jetzt hat das bayrische Unternehmen tatsächlich einen der Big Player im Finanzgeschäft überholt. Vor einigen Tagen kosteten sämtliche Aktien von Wirecard nämlich erstmals mehr als die der Deutschen Bank. Mit einem Börsenwert von 20,8 Milliarden Euro übertraf Wirecard das Frankfurter Geldhaus. Seit Anfang des Jahres sind die Aktien von Wirecard um 80 Prozent gestiegen, während die der Deutschen Bank um 35 Prozent verloren. Der Vorsprung von Wirecard kann zwar so schnell wieder verloren werden, wie er gewann, was keine Überraschung bei dem Auf und Ab der Märkte wäre, aber er hat dennoch Symbolwert. Er steht für den Aufstieg der Tech-Firmen und den langsamen Abstieg der traditionellen Big Player. Der Aufstieg der Tech-Firmen ist aber nicht nur hierzulande zu beobachten. Weltweit machen die kleinen IT-Unternehmen es den großen Unternehmen an der Börse immer schwerer ihre Vormachtstellung beizubehalten. Wirecard hat es damit geschafft, nicht nur zu einem der globalen Marktführer im Zahlungsverkehr aufzurücken, sondern auch zum viertgrößten an der Börse gelisteten deutschen Finanzinstitut zu werden. Vor der Wirecard sind lediglich nur noch die Deutsche Börse, Allianz und Münchner Rück. Die Commerzbank hat das Aschheimer Unternehmen schon länger überholt und wird der Universalbank am 5. September vermutlich auch ihren Platz im Dax streitig machen.

Die Zukunft der Finanzbranche

Am Aufstieg von Tech-Firmen wie Wirecard ist gut bemerkbar, wie sehr doch die Digitalisierung Einfluss auf alle Bereiche der Finanz- und Vertriebsbranche hat. Vor allem das Online-Shopping boomt und genau diesem Bereich hat sich das Aschheimer Unternehmen auch schon länger gewidmet. Der Anstieg der Tech-Firmen zeigt aber auch die Schwäche von deutschen Privatbanken, die offensichtlich immer noch an der Finanzkrise von 2008 zu knabbern haben. Andere große Geldhäuser in Europa verdienen durchaus wieder Milliarden, bringen es an der Börse reihenweise auf beachtliches Gewicht und können mit dem Strukturwandel gut mithalten. Die Deutsche Bank muss aber schon seit Jahren mit dem wachsenden Bedeutungsverlust kämpfen. Es ist eine Abwärtsspirale aus Sparprogrammen, sinkenden Erträgen und wieder neuen Sparprogrammen. Der Deutschen Bank fehlt es an Kapital, um in neue und schnelle IT-Systeme zu investieren, dabei braucht die Bank genau diese, um wieder an Bedeutung zu gewinnen. Die Wirecard hingegen besitzt all die IT-Systeme, die es benötigt, um in der Zeit der Digitalisierung mithalten zu können.